Zen-Ästhetik
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Tuschmalerei

Während der Nara-Periode gab es kaum Unterschiede zwischen der chinesischen und der japanischen Tuschmalerei. Bei den Sujets handelte es sich im Sakralen um Gemälde über das Leben Buddhas und im Profanen um das Leben der Aristokraten. In der Heian-Zeit verschwand der chinesische Einfluss langsam, es kam schrittweise zu einer Japanisierung, die sich darin äußerte, dass die Bilder kleiner und feiner ausgeführt wurden.
Ein wirklich neuer Kunststil ist aber erst ab der Muromachi-Zeit festzustellen. Der Wechsel im Stil ging, wie bei den anderen Künsten auch, mit dem Aufstieg des Zen-Buddhismus einher. Er wurde durch die Rezeption der Kunst der chinesischen Song-Periode eingeleitet, von wo auch das Zen stammte, das von den beiden Zen-Patriarchen Eisai und Dogen in Japan populär gemacht wurde. Durch die Übernahme des Zen wurde die alte Kunsttradition ausgelöscht und die vom Zen beeinflusste Tuschmalerei Sumi-e entstand. Sie äußerte sich in der Abkehr von Farben, hin zu einer überwiegend oder reinen Schwarz-Weißmalerei. Auch die Sujets wandelten sich. Die sakrale Malerei verschwand, und es kam zu einer Hinwendung zu scheinbar rein ästhetischen Themen, wie Blumen und Landschaftsmalerei. Außerdem wurden noch Szenen aus dem Leben berühmter Zen-Persönlichkeiten dargestellt. Wie in den anderen Künsten auch, dominierte nun, Asymmetrie, Schlichtheit und Natürlichkeit.

Ein Charakteristikum von Sumi-e ist die Konzentration auf das Wesentliche, das durch den Verzicht auf Farbe nur noch verstärkt wurde, wobei, wie bei den Zen-Gärten, der weißen unbemalten Fläche eine besondere Bedeutung zukam. Sie steht hier, wie dort, für die buddhistische Leere (Mu, siehe Kapitel: Theorie des Schönen), als allumfassendes Prinzip des Zen. Durch den Aufstieg der Wabi-Sabi-Ästhetik wurden gerne unscheinbare „Dinge“, wie z. B. Bambus, Gras, Felsen oder Gemüse dargestellt. Dies darf aber nicht zu einer Hinwendung zum Realismus (im westlichen ästhetischen Sinn) missgedeutet werden, sondern es ist ein Bekenntnis zur Zenvorstellung, dass alles was existiert, eine Manifestation des Ganzen ist, da das Ganze nicht ohne das Eine und das Eine nicht ohne das Ganze vorkommen kann. Die Kunst ist daher nur als Transportmittel zu sehen, um die Wahrheit des Zen zu kommunizieren. Daher ist das Profane gleichbedeutend mit dem Sakralen und umgekehrt. Das bedeutet natürlich auch, dass Kunst, Leben und Zen eine Einheit bilden.

Tensho Shubun
Landschaftsgemälde das Tensho Shubun zugeschrieben wird
Er war Maler und Zen-Mönch, lebte im 15. Jahrhundert und ist einer der
bekanntesten japanischen sumi-e Künstler.(aus wikimedia commons)

Bei der Sumi-e-Malerei ist der Tuschestrich einmalig und unwiederholbar, da, einmal gesetzt, keine Korrektur mehr möglich ist. Daher verschleiert er nicht den Werdegang des Gemäldes, sondern lässt den Betrachter unmittelbar an der Entstehung teilhaben. Schattierung und Dreidimensionalität wurden durch das An- und Abschwellen der Tuschelinie erreicht. Ein weiteres Mittel, um die Wirkung der Tuschbilder zu verstärken, ist der Wechsel zwischen zarten, blassgrauen und tiefschwarzen Linien, die die dargestellte Form oft nur in wenigen Linien andeuten, so dass der Betrachter sie unwillkürlich zu einem Ganzen ergänzt.


Winterlandschaft von Sesshu Toyo (1420-1506). Er gilt als der
bedeutendste sumi-e Künstler seiner Zeit und war wie Shubun
ebenfalls Zen-Mönch (aus wikimedia commons)

Die Feinheit im Umgang mit Tusche wird gesteigert durch eine Entflüchtigung der Tusche im Weiß des Papiers. Der Buddhismus kennt keinen Dualismus, dieser Vorstellung entspricht der fließende Übergang von leerer weißer Fläche und begrenzender Linie. Formen lösen sich kontinuierlich in Weiß auf, wie man besonders bei Landschaftsbildern gut erkennen kann. Der ästhetische Begriff yohaku-no-bi ist hier angebracht, was soviel wie die Schönheit des Einfachen, bzw. besonders Weißen bedeutet. D. h. dem Weglassen kommt eine ebenso große Bedeutung zu, wie dem konkret dargestellten. Wie in der Dichtkunst (Waka, Tanka, Haiku) wird durch das Weglassen der Geist des Betrachters in Bewegung gesetzt, der das Fehlende ergänzen muss, womit eine langweilige Statik vermieden wird und dem geistigen Prinzip des Zen Rechnung getragen wird.


Gemälde von Sesshu Toyo;
Landschaftsgemälde in Haboku Stil, das ohne klare äußere Kontur auskommt.
(aus wikimedia commons, Bildautor Emuseum)

 


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