Zen-Ästhetik
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Einführung
Mit Hilfe dieser Internetseite über die klassische japanische Ästhetik bzw. die Ästhetik des Zen verfolge ich mehrere Absichten. Zunächst soll sie dem interessierten Leser einen Überblick über das Themengebiet verschaffen. Das Kapitel Geschichtliches dient dazu, sie in den historischen Kontext zu stellen. Anhand von fünf konkreten Beispielen: 1. Architektur (Villa Katsura), 2. Teezeremonie, 3. Zen-Gärten, 4. Zen-Malerei (sumi-e) und 5. Haiku werden dem Leser einzelne Künste näher vorgestellt. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Vermittlung des philosophischen Hintergrunds, der im Buddhismus, speziell im Zen-Buddhismus, zu suchen ist. In diesem Zusammenhang werden auch einzelne zentrale ästhetische Begriffe näher erläutert. Da in den einzelnen Kapiteln die jeweiligen Themen nur relativ oberflächlich behandelt werden, wird dem interessierten Leser im Kapitel Literatur ein umfangreiches Schriftenverzeichnis vorgestellt.
Für die klassische japanische Ästhetik gibt es im Westen keine Entsprechung, was z. B. anhand des Wegbegriffs (siehe Kapitel do) zu erkennen ist. Auch entspricht die klassische japanische Ästhetik nicht einer philosophischen Disziplin im westlichen Sinn, denn zur Zeit ihrer Entstehung, im japanischen Mittelalter, war eine abstrakte, von der Tätigkeit der konkreten Künste losgelöste, Betrachtung nicht bekannt. Wenn man sich heute näher mit dieser Ästhetik beschäftigt, wird man feststellen, dass viele Entwicklungen in der neueren und aktuellen westlichen ästhetischen Diskussion bzw. Kunst, bereits in der klassischen japanischen Ästhetik vorhanden waren, wie z. B. Aktionskunst, Phänomenologie, Konstruktivismus, Strukturalismus (um nur einige zu nennen). Liest man aktuelle Sammelwerke, z. B. über Fototheorie oder allgemeine Bildwissenschaft, kann festgestellt werden, dass sich die aktuelle Diskussion in einer unproduktiven Polarisierung zwischen Dualismen, wie z. B. Objektivismus versus Subjektivismus oder Phänomenologie versus Semiotik befindet. Als scheinbare neue Einsicht kann hier vernommen werden, dass nichts, also auch kein Bild, etwas in sich selbst ist. Diese Einsicht ist aber ein Charakteristikum des Buddhismus ( siehe: Leere - Theorie des Schönen) und somit über 2000 Jahre alt. Daher sind die Inhalte der klassischen japanischen Ästhetik hochaktuell, denn in ihr gibt es weder Dualismen noch einen
Musashi
Ein Tuschgemälde (aus wikimedia commons) des berühmtesten Schwertkämpfers Japans: Miyamoto Musashi (Künstlername Niten). Es zeigt den wandernden Bettelmönch Hotei, der zwei kämpfende Hähne beobachtet. Hotei ist in Japan ein Symbol für Lebenslust, die aus Genügsamkeit entsteht.
Reduktionismus, der die westliche ästhetische Diskussion lange Zeit kennzeichnete und von dem man sich erst jetzt zögernd verabschiedet. Natürlich findet man in der klassischen japanischen Ästhetik nicht die oben genannten Begriffe (Konstruktivismus, Strukturalismus usw.), sondern sie ergeben sich aus dem Kontext des Vollzugs dieser Künste und vor allem aus der zenbuddhistischen Wirklichkeitsvorstellung, die diese Künste kommunizieren.
Die Künste der Zen-Ästhetik werden in der westlichen Rezeption heute als Vorwegnahme der klassischen Moderne betrachtet. In einem entscheidenden Punkt sind sie aber der zeitgenössischen Kunst einen Schritt voraus. Sie beruhen auf der Philosophie des Nicht-ichs, denn alles was eine Form hat, einschließlich des eigenen Selbst, existiert nur als Relation zueinander, während in der gewöhnlichen Weltsicht das substanzielle ich, sich als das Andere empfindet, und damit auch seine Kunst, das der Welt gegenüber steht. Die dualistische Spaltung der Welt in ein Subjekt und ein Objekt ist das Resultat davon und daher wird das substanzielle ich als ein Gefängnis angesehen, ein Gefängnis, aus dem man sich mithilfe der Zen-Kunst befreien kann.
In der Zen-Ästhetik sind sowohl die Künste, als auch das eigene ich, frei von jeder Statik. Statik in jedweder Form wird als eine Illusion betrachtet, die das substanzielle, und daher statische, ich, mithilfe des Denkens und der Sprache, selbst hervorruft.
Die Wirklichkeit hingegen ist völlig dynamisch, der Zen-Künstler fügt sich durch die Transzendierung des eigenen substanziellen ichs in diese Dynamik nahtlos ein. Das Ergebnis der Transzendierung ist wahre Freiheit, die sich dann in den Kunstwerken der Zen-Ästhetik widerspiegelt.
Die Seite über die japanische Zen-Ästhetik lädt sie daher ein, in diese Vorstellungswelt einzutauchen und die westlich geprägte Wirklichkeitsvorstellung in einem neuen Licht zu betrachten und womöglich hinter sich zu lassen.

© Jürgen Gad 2010


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